Im Folgenden finden Sie eine ständig aktualisierte Zusammenstellung der relevanten Urteile der Arbeitsgerichte im Zusammenhang mit der Pandemie zu bestimmten Themengebieten. Auf Grundlage dieser Urteile geben wir entsprechende Empfehlungen für den Umgang in bestimmten Situationen.

Nachdem die aktuellste Arbeitsschutzverordnung (abrufbar unter Corona-ArbSchV – SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (gesetze-im-internet.de)) erst im April 2021 in Kraft getreten ist, gibt es hierzu noch keine Rechtsprechung. Bislang wurde auch keine Entscheidung zu Fragen der Corona-Impfung im Zusammenhang mit dem Arbeitsrecht gefällt. Gerne beantworten wir Ihre Fragen hierzu und geben klare Handlungsempfehlungen!

 

BETRIEBSRAT

Ein aktuelles Urteil des LAG Berlin-Brandenburg (Urt. v. 14.4.2021 – 15 TaBVGa 401/21) stellt fest, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, den Betriebsrat so auszustatten, dass dieser virtuelle Sitzungen durchführen kann.

Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates wird nach einer Entscheidung des Arbeitsgerichts Köln (Beschl. v. 24.11.2020 – 8 BV 122/20) dadurch ausgelöst, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer:innen Dokumente mit Regelungen für den Umgang mit Corona im Betrieb ausgehändigt hat. Und auch die Nutzung von Überwachungskameras zur Überprüfung, ob die Arbeitnehmer:innen das Abstandsgebot einhalten, erfordert die Mitbestimmung des Betriebsrates (ArbG Wesel, Beschluss vom 24.4.2020 – 2 BVGa 4/20).

Tipp: Sobald der Arbeitgeber ein Ermessen hat, welche konkreten Maßnahmen er zur Durchsetzung des (Arbeits-)Schutzes ergreift, muss der Betriebsrat eingebunden werden. Bei der Einführung von Regelungen für die Arbeit im Home Office oder zu Test-Aktionen im Betrieb besteht in der Regel ein Mitbestimmungsrecht.

 

KÜNDIGUNG

Zahlreiche Arbeitsgerichte bleiben in ihrer Rechtsprechung bei den strengen Anforderungen an eine betriebsbedingte Kündigung auch im Zusammenhang mit der Pandemie (z.B. ArbG Berlin, Urt. v. 5.11.2020, Az.: 38 Ca 4569/20). Der Arbeitgeber muss weiterhin konkret darlegen und beweisen, dass ein dauerhafter Auftragsrückgang vorliegt. Kurzarbeit im Betrieb spricht grundsätzlich gegen die Annahme eines dauerhaften Auftragsrückgangs.

Tipp: Will der Arbeitgeber eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen, sollte von Beginn an eine umfassende Dokumentation über die unternehmerische Entscheidung, die konkrete wirtschaftliche Lage etc. erstellt werden. Im Übrigen führt angeordnete Kurzarbeit nicht immer dazu, dass eine betriebsbedingte Kündigung nicht wirksam ausgesprochen werden kann: Die Pandemie wirkt sich beispielsweise auf verschiedene Abteilungen im Betrieb unterschiedlich aus und erfordert damit unterschiedliche Maßnahmen.

Der Arbeitgeber kann auch dann eine wirksame außerordentliche Kündigung aussprechen, wenn ein:e Arbeitnehmer:in eine:n Kolleg:in beabsichtigt anhustet und damit deren Gesundheit gefährdet. Der Arbeitnehmer hatte im konkreten Fall gegenüber dem Kollegen geäußert, er möge doch Corona bekommen (LAG Düsseldorf, Urt. v. 27.04.21, Az. 3 Sa 646/20). Das LAG Düsseldorf erläuterte in diesem Zusammenhang, dass ein solches Verhalten gegen die Rücksichtnahmepflichten des Arbeitnehmers verstoße. Im konkreten Fall war eine vorherige Abmahnung entbehrlich, da der Arbeitnehmer bereits zuvor erklärt hatte, dass er die Arbeitsschutzvorschriften (Abstand, Maske etc.) nicht einhalten wolle.

Dasselbe gilt für eine außerordentliche Kündigung im Falle der Missachtung von Hygienekonzepten, dies insbesondere in einem Pflegeheim. Der von uns betreute Fall wurde zwar letztlich nicht entschieden; das Arbeitsgericht hat sich aber relativ klar positioniert. Die Arbeitnehmerin, eine Reinigungskraft in einem Pflegeheim, hat vorsätzlich das Hygienekonzept nicht umgesetzt und anstatt – wie in einer verbindlichen, von ihr gegengezeichneten Arbeitsanweisung angeordnet – das Desinfektionsmittel in die bereitgestellten Desinfektionsmittelspender täglich nachzufüllen, diese nur mit Wasser aufgefüllt. Das ArbG Berlin führte in der Verhandlung aus, dass ein solcher vorsätzlicher Verstoß gegen Hygienemaßnahmen, insbesondere in einem Pflegeheim, geeignet sei, das Vertrauensverhältnis nachhaltig zu zerstören und eine fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Zu beachten sei dabei auch der Umstand, dass zusätzlich eine Täuschungshandlung der Arbeitnehmerin vorliegt, das Hygienekonzept ordnungsgemäß umgesetzt zu haben und dadurch die Gesundheit der Heimbewohner, des Pflegepersonals und der Besucher nachhaltig gefährdet gewesen sei.

 

KURZARBEIT

Der Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer:innen wird für jeden Monat, den die Arbeitnehmer:innen sich in Kurzarbeit Null befanden, um 1/12 gekürzt. Das LAG Düsseldorf kam zu dem Ergebnis, dass Arbeitnehmer:innen, die aufgrund der Anordnung von Kurzarbeit Null nicht arbeiten, keinen Erholungsbedarf haben.

Tipp: Arbeitgeber sollten ihre Arbeitnehmer:innen ohnehin regelmäßig auf noch bestehende Urlaubsansprüche hinweisen. In diesem Zusammenhang kann auch auf die entsprechende Kürzung hingewiesen werden. Sollte eine Betriebsvereinbarung zur Kurzarbeit geschlossen werden, sollte die damit einhergehende Urlaubsreduzierung dort geregelt werden.

 

MASKE

Sowohl das Arbeitsgericht Singen (Urt. v. 16.12.2020, Az: 4 Ga 18/20) als auch das Arbeitsgericht Berlin (Urt. v. 15.10.2020, Az.: 42 Ga 13034/20) erlauben dem Arbeitgeber, das Tragen einer Maske anzuordnen. Der Arbeitgeber muss pauschale Atteste für eine Befreiung der Maskenpflicht nicht akzeptieren. Diese Ansicht vertritt auch das Arbeitsgericht Köln in einem Kündigungsschutzverfahren (ArbG Köln, Urt. v. 17.06.2021, Az.: 12 Ca 450/21). Nachdem der Arbeitnehmer ein Attest zur Maskenbefreiung vorgelegt hatte, weigerte er sich, einen Auftrag bei einem anderen Unternehmen auszuführen, für den das Maskentragen verpflichtend war. Das Arbeitsgericht sah in dieser Arbeitsverweigerung einen Grund für eine Kündigung – denn das Attest stelle mangels Diagnose eines Krankheitsbildes keine Rechtfertigung dar.

Das LAG Köln gab deshalb konsequenterweise dem Arbeitgeber Recht, der einem Arbeitnehmer ohne Maske den Zutritt zum Arbeitsplatz verweigerte (LAG Köln, Urt. v. 12.04.2021, Az. 2 SaGa 1/21). Der Arbeitnehmer hatte ein Attest für eine Befreiung von der Maskenpflicht vorgelegt, aber er ist nach der Entscheidung des LAG Köln ohne Maske arbeitsunfähig und muss daher vom Arbeitgeber nicht beschäftigt werden.

Tipp: Der Arbeitgeber sollte die Maskenpflicht in allen Räumen anordnen, in denen der Abstand nicht eingehalten werden kann oder in Räumen, in denen sich über einen längeren Zeitraum mehrere Personen aufhalten. Wir empfehlen also, auch in Flurbereichen, Küchen o.ä. eine Maskenpflicht anzuordnen.

 

MOBILES ARBEITEN

Die Einführung von „mobile working“ führt nach den Ausführungen des LAG Hessen (Beschl. v. 18.6.2020 – 5 TaBVGa 74/20) nicht zwingend zu einem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Das mobile Arbeiten stellte in diesem Fall lediglich eine Konkretisierung der Arbeitsleistung dar und gehörte daher zum mitbestimmungsfreien Arbeitsverhalten.

Empfehlungen zu den wesentlichen Punkten, die im Zusammenhang mit der Digitalisierung des Arbeitsplatzes zu beachten sind, können Sie zudem im Beitrag unserer Kollegin Caroline Dressel in Recht Digital 3/2021, S. 143ff. nachlesen.

 

TESTPFLICHT

Zur Testpflicht gibt es bislang nur ein Urteil (ArbG Offenbach, Urt. v. 03.02.2021 – 4 Ga 1/21), das in der Sache selbst keine Entscheidung trifft. Jedenfalls hält es das Gericht aber durchaus für möglich, dass der Arbeitgeber Arbeitnehmer:innen den Zutritt zum Gelände verweigern darf, wenn diese keinen negativen Corona-Test vorlegen. Im zu entscheidenden Fall war die Testpflicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt.