Ein ganz aktuelles Urteil des Landgericht Memmingen hat für Aufsehen gesorgt: Trotz satzungsmäßigem Ausschluss von Frauen am sog. Stadtbachfischen ist der Verein nun verpflichtet, Frauen bei entsprechender Eignung „mitfischen“ zu lassen. Die vielen Vereine, die bestimmte Aktivitäten nur für Männer oder nur für Frauen anbieten wollen, sollten dieses Urteil und den Hintergrund dazu kennen.

Hintergrund zur Entscheidung
Der Verein in Memmingen wurde schon im Jahr 1900 gegründet und ist in 37 Untergruppen eingeteilt. Zweck des Vereins ist die Heimatpflege, Heimatkunde, Kultur und der Umweltschutz. Der Verein verwirklicht diesen Zweck u.a. indem er jährlich einen Fischertag und periodisch Festspiele durchführt. Die 1.500 weiblichen Vereinsmitgliederinnen können in sämtlichen Untergruppen Mitglied sein – nur in der Untergruppe der Stadtbachfischer nicht. § 8 Abs. 3 der Satzung lautet dazu: „Zur Wahrung der (…) Tradition haben nur männliche Mitglieder des Vereins, (…) das Recht zum Ausfischen des Stadtbaches.“.

Das Stadtbachfischen ist eine Tradition aus dem frühen Mittelalter; zur Säuberung des Baches muss dieser leer gefischt werden. Dieses Fischen hat sich im Laufe der Zeit zu einem Fest der Bürger*innen entwickelt. Die Klägerin ist seit 1987 Mitglied im Verein und versuchte bereits zweimal vergebens mittels Satzungsänderung eine Aufnahme zu den Stadtbachfischern zu erreichen.

Entscheidung durch Amtsgericht und Landgericht
Die Klägerin hatte dann also Klage beim Amtsgericht eingereicht mit dem Ziel, dass sie in die Untergruppe aufgenommen werden muss und dass festgestellt wird, dass der Verein Frauen nicht wegen des Geschlechts aus der Untergruppe ausschließen darf. Diese Klage hatte die Frau gewonnen. In der ersten Instanz wurde der Klage stattgegeben und ein Anspruch auf Aufnahme in die Stadtbachfischer mit Art. 3 Abs. 2 GG, §§ 826, 249 BGB und § 18 Abs. 1 AGG begründet.

Der Verein legte gegen die amtsgerichtliche Entscheidung Berufung ein, welche zulässig, jedoch unbegründet war. Das Landgericht stimmte im Ergebnis zwar mit dem Urteil des Amtsgericht Memmingen überein, begründete den Aufnahmeanspruch jedoch abweichend mit einem Anspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB.

Der Aufnahmeanspruch ergebe sich aus § 280 Abs. 1 BGB, da der Verein gegen das Recht der Vereinsmitglieder*innen auf Gleichbehandlung verstoßen habe. Benachteiligte Vereinsmitglieder*innen haben einen Schadensersatzanspruch gegen den Verein, welcher sich grundsätzlich im Sinne der Naturalrestitution (§ 249 BGB) auf Beseitigung der Ungleichbehandlung richten würde. Auch innerhalb von Vereinen gelte der Gleichbehandlungsgrundsatz, für Ungleichbehandlungen von Vereinsmitglieder*innen müsse ein sachlicher Grund vorliegen.

Da die Beschränkung auf männliche Fischer erst 1931 in die Satzung (und somit 31 Jahre nach Gründung) eingetragen wurde, stellt dies eine Beschränkung von Sonderrechten aller Mitglieder*innen dar. Eine solche wäre dann zulässig, wenn alle nicht privilegierten Mitgliederinnen (und somit alle Frauen) gem. § 35 BGB zugestimmt hätten. Dass dies erfolgt ist, könne nicht nachgewiesen werden.

Zudem komme eine sachliche Rechtfertigung nicht in Betracht. Ziel des Vereins sei nicht die traditionsgenaue Nachbildung des mittelalterlichen Spektakels, es ginge vielmehr auch um den Spaßfaktor. Zu diesem Ergebnis kommt das Gericht, da z.B. die Fischer heutzutage keine traditionellen Trachten mehr tragen müssen, sondern in Jeans und T-Shirt fischen, Frauen dürfen zudem auch in anderen Untergruppen bei originalgetreuen Nachbildungen männliche Rollen begleiten. Eine sachliche Rechtfertigung fehle somit.

Ein Anspruch aus §§ 826, 249 BGB, Art. 3 Abs. 2 GG bestehe hingegen nicht. Denn aufgrund der in Art. 9 GG geschützten Vereinsautonomie sei der Verein grundsätzlich frei bei der Festlegung der Voraussetzungen für den Erwerb der Mitgliederschaft und der Aufnahme neuer Mitglieder im Verein. Ein Aufnahmeanspruch komme nur dann in Betracht, wenn (1) eine Monopolstellung oder eine überragende Machtstellung im sozialen oder wirtschaftlichen Bereich und (2) ein wesentliches oder grundlegendes Interesse der Klägerin am Erwerb der Mitgliedschaft in der Stadtbachfischer gegeben sei (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1984, II ZR 91/84). Im vorliegenden Fall fehle es am wesentlichen eigenen Interesse der Klägerin, da kein wirtschaftliches oder existenzielles Bedürfnis bestehe. Ein Anspruch aus §§ 826, 249 BGB und Art. 3 Abs. 2 GG scheide zudem aus, da es an einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung fehlt.

Auch aus der Gemeinnützigkeit des Vereins gem. § 52 AO ergebe sich kein eigener Anspruch auf Aufnahme, da es sich hier nur um eine steuerliche Begünstigung des Vereins handle.

§ 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG finde bei dem Verein zwar grundsätzlich Anwendung, da es sich um eine Vereinigung handele, die eine überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich habe, allerdings scheide auch diese Norm als Anspruchsgrundlage aus, denn auch hier fehle ein grundlegendes Interesse der Klägerin am Erwerb der Mitgliedschaft.

Darf die Klägerin nächstes Jahr nun also Fischerin sein und auf den Titel der ersten Froschkönigin hoffen?
NEIN! Zwar hat das Landgericht beschlossen, dass der Ausschluss aus der Untergruppe der Stadtbachfischer (oder sollte man jetzt Stadtbachfischer*innen sagen?) rechtswidrig ist und ein Anspruch auf Aufnahme besteht. Allerdings knüpft die tatsächliche Erlaubnis zum Fischen an weitere satzungsmäßige Voraussetzungen an. Wenn die Klägerin diese nicht erfüllt, darf sie auch als Mitglied der Stadtfischer weiterhin nur zuschauen. Zudem ist das Urteil noch nicht rechtskräftigt.